Chinas Second Continent – Howard French

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Zu diesem Buch brachte mich in doppelte Hinsicht mein letzter Urlaub in Ostafrika, genauer Kenia. Da wirhoward-w-french-afrika-und-die-entstehung-der-modernen-welt neben einer mehrtägigen Safari auch ein paar Tage Entspannung im Hotel geplant hatten, hatte ich Zeit um ein Buch von Howard W. French zu lesen: “Afrika und die Entstehung der modernen Welt: Eine Globalgeschichte”. Das Buch beschreibt den vergessenen oder nur wenig beleuchteten Einfluss des afrikanischen Kontinents auf die europäische und globale Geschichte.

Hafen Mombasa
Hafen Mombasa

Ausgangspunkt für unsere Safari war die Hafenstadt Mombasa, die wichtigste Hafenstadt Ostafrikas mit eine langen Geschichte als (Sklaven-)Handelszentrums insbesondere zusammen mit der nicht weit entfernten Insel Sansibar.

Der Weg von Mombasa zu den bekannten Nationalparks Tsavo-West und Ost führt auf einer typischen zweispurigen Fernstraße in Richtung Nairobi entlang weitläufiger Savanne durch kleine Dörfer und Städte, welche zum großen Teil aus Wellblechhütten bestehen.

Straßenszene zwischen Mombasa und Nairobi
Straßenszene zwischen Mombasa und Nairobi

Zwei Dinge fallen aber sofort auf: Zum einem ein kontinuierliche Strom an fabrikneuen chinesischen LKWs mit kongolesischen Kennzeichen und die brandneue (chinesische) Eisenbahnlinie welche man entlang der Strecke mit zum Teil völlig deplatziert wirkenden Terminals bestaunen kann.

Bahnstrecke Mombasa - Nairobi
Bahnstrecke Mombasa–Nairobi | Etwas außerhalb von Mombasa

Wieder in der Heimat stöberte ich nach neuen Büchern und fand unter anderen dieses ältere Buch von Howard W. French.  In “China’s Second Continent”, bis jetzt nur auf Englisch erschienen, gibt French einen sehr fundierten Einblick in die Geschichten der chinesischen Einwanderer in Afrika. Das Buch ist allerdings keine klassische Beschreibung der chinesischen Außen- und Wirtschaftspolitik in Afrika, auch wenn diese natürlich in vielen Gesprächen eine Rolle spielt. French beschreibt seine Reise durch  Mosambik, Ghana und Mali und dokumentiert Gespräche mit chinesischen Händlern, Politikern, Arbeitern und Farmern. Dadurch stehen die individuellen Migrationsgeschichten im Vordergrund und nicht die “große” Politik. Hierdurch bekommt man einen seltenen und ungewöhnlichen Blick auf die aktuellen Entwicklungen in Afrika. Insbesondere die persönlichen Geschichten und Ansichten der chinesischen Einwanderer machen dieses Buch äußerst lesenswert. Außerdem ist dieses Buch sehr hilfreich um  zu verstehen wie die “Go out policy” Chinas seit März 2000 wirkt und was es mit “shi ku” (eating bitterness) auf sich hat.

 

 

Jane McGonigal – Besser als die Wirklichkeit!

McGonigal, Jane - Besser als die Wirklichkeit

Das Durchschnittsalter von Menschen, welche regelmäßig Computerspiele spielen, ist mittlerweile auf über 38 Jahre angestiegen. Und dennoch findet eine Debatte darüber, warum dies so ist, kaum statt. Häufig erschöpft sie sich an einer Kritik an den Inhalten, welche als zu seicht, zu gewaltvoll oder zu trivial geschildert werden und bei den Spielern zu Abstumpfung und Teilnahmslosigkeit führen. Häufig ist in einem Atemzug von “Zeitverschwendung” die Rede.  In der bildenden Kunst werden Aspekte bisher nur vereinzelt thematisiert, so zum Beispiel in der aktuellen Sonderausstellung “Welt anschauen” in den Kunstsammlungen am Theaterplatz.

Die US-amerikanische Gamedesignerin Jane McGonigal nimmt die Frage, warum wir in Computerspielen so gerne unsere “Zeit verschwenden” gewissermaßen als Ausgangspunkt für ihr Buch über den möglichen (positiven) Einfluss von Computerspielen auf unser Leben und damit auf unsere Realität. Kurz gesagt: Warum verbringen wir Zeit damit in virtuellen Welten völlig virtuelle Arbeit zu verrichten?

Die Antwort fällt recht einfach aus: Unsere Realität ist kaputt (“Reality is broken” ist der Originaltitel des Buches). Die Aufgaben in virtuellen Welten sind einfach spannender und motivierender gestaltet als die in unserem Alltag. Hinzu kommen laut der Autorin noch andere Vorteil: Oft verfolgt man allein oder in der Gruppe ein höheres oder gar episches Ziel, man bekommt sofort und unmittelbar ein positives Feedback nach einem Erfolg und man wird nicht dafür bezahlt. Letzteres mag kurios klingen, aber es scheint tatsächlich so zu sein, dass Menschen die Motivation verlieren, wenn sie für eine vormals freiwillige Tätigkeit bezahlt werden. McGonigal beschreibt anhand vieler Beispiele die Mechanismen sehr ausführlich und ich kann ihr aus eigenere Erfahrung mit vielen Computerspielen aus den letzten 20 Jahren nur zustimmen.

Und dennoch finde ich das Buch zu optimistisch. Ich finde den Ansatz, sich bei der Struktur von reeller Arbeit an der Struktur von (guten) Quests und Aufgaben zu orientieren (Höheres Ziel, Unmittelbare Belohnung, Soziale Bindungen bei gemeinsamen Streben zum Ziel) prinzipiell nicht schlecht. Die Autorin verliert aber auf den über 450 Seiten kaum ein Wort über die Gefahren welche solche Strukturen mit sich bringen. Immerhin würden sich mit dem von der Autorin favorisierten (Spiel-) Schema (Höheres Ziel, Unmittelbare Belohnung, Soziale Bindungen bei gemeinsamen Streben zum Ziel) auch die Dynamiken von vielen radikalen Gruppen beschreiben.  McGonigal schreibt darüber nichts, nennt stattdessen allerdings viele positive Beispiele aus den letzten Jahren.

Wer sich schon immer gefragt hat, wieso so viele Menschen in ihrer Freizeit virtuelle Arbeit in Phantasiewelten erledigen und dazu noch erfahren möchte, wie sich dies gesellschaftlich nutzen lässt oder schon genutzt wurde, dem kann ich das Buch empfehlen.

Und wer sich mit etwas klassischer Lebenskunst befassen möchte, dem empfehle ich das Buch “Ikigai” von Ken Mogi. Man wird sogar einige Überschneidungen zu McGonigals Argumentation finden.

Öffentliche Führungen im Juni 2024

Auch im Juni kann ich nur wenige öffentliche Führungen übernehmen. Beide Termin sind im Kalender zu finden.

Eine Besonderheit ist die englische Führung durch die Sonderausstellung “Sie dir die Menschen an!” im Museum Gunzenhauser am 02.06.2024 16:00 Uhr!

Öffentliche Führungen im Mai 2024

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Der Kalender wurde aktualisiert. Da derzeit im Hauptberuf Prüfungszeit ist, kann ich nur wenige öffentliche Führungen übernehmen. Eine Besonderheit im Mai  sind die zwei englischen Führungen im Rahmen der Museumsnacht 2024 (19:00 Uhr im Wasserschloß Klaffenbach und 20:30 Uhr im Museum Gunzenhauser.) Das alle weiteren Informationen zur Museumsnacht 2024 finden sich hier.

Die öffentlichen Termine der Stadionführungen (inkl. der Taschenlampentouren im Winter) sind bereits bis Dezember 2024 terminiert und sind im Kalender zu finden. (Alle Stadiontermine finden sich außerdem auch hier).

Eine weitere Besonderheit ist die historische Stadionführung am 13.05.2024!

Eighteen hundred and froze to death – Zwei Bücher – Ein Vulkan

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Kurz vorweg: Ich werde im März mit Ausnahme der Messeführung am Freitag den 08.03.2024 urlaubsbedingt keine öffentlichen Führungen übernehmen.

Da auch der Beginn des Jahres äußerst arbeitsreich war, blieb wenig Zeit zu zum lesen.  Das kalte und regnerische Wetter eignet sich allerdings zu einer kurzen Vorstellung zweier Bücher: “Das Zimmer von Mary Shelley” von Timo Feldhaus sowie “Tambora und das Jahr ohne Sommer” von Wolfgang Behringer.

Als der Tambora im April 1815 ausbrach blieb dies in Europa, anders als beim berühmte Ausbruch des Krakatau 1883, vorerst unbemerkt. Die Folgen für den darauffolgenden “Sommer” 1816 waren dafür umso verheerender. So verheerend, das das Jahr 1816 als “Jahr ohne Sommer” oder als Achtzehnhundertunderfroren bzw. Eighteen hundred and froze to death in die Geschichte einging.

Behringer beschreibt in seinem Buch ausführlich die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen für Europa und die Welt. Insbesondere Südwestdeutschland und die Schweiz waren von den Hungernöten betroffen. Hier entstanden als direkte Folgen erste Initiativen einer “Katastrophenhilfe”.  In den USA zogen viele Farmer auf Grund der Hungersnöte gen Westen.  Auch in Chemnitz waren die Folgen übrigens zu spüren. Der erste Großindustrielle aus Chemnitz, Christian Gottfried Becker, ging durch seine Wohltätigkeit in die Chemnitzer Geschichte ein: Er kaufte in den Hungerjahren 1816/17 in Polen günstig Getreide und verkaufte es zu moderaten Preisen in Chemnitz. Sein Grabstein ist heute noch im Park der OdF zu sehen. Vom Beckerplatz ist allerdings nur noch ein Gebäude übrig.

wolfgang-behringer-tambora-und-das-jahr-ohne-sommerSo schrecklich die Folgen für die Bevölkerung waren, in der Kunst- und Literaturgeschichte hinter lies der Ausbrauch schöne und schaurige Spuren. Zum einen wurden die leuchtenden Himmel in den Bildern von William Turner und Caspar David Friedrich wohl von Staubpartikeln ausgelöst, welche durch den Ausbruch in der Luft waren.  (1883 beim Ausbruch des Krakatau passierte eventuell nochmal etwas ähnliches und hinterließ im “Schrei” von Edvard Munch vielleicht seine Spuren). Zum anderem wurde eine bunte Reisegruppe bestehend aus Lord Byron, Percy Bysshe Shelley, Mary Shelly, Claire Clairmont und John Polidori gezwungen, einen Großteil ihrer Reise geschützt vor dem nicht enden wollenden Regen in der Villa Diodati am Genfer See zu verbringen. Neben allerhand Gefühlen füreinander aller Beteiligten, entstanden hier zwei Meilensteine der Weltliteratur. “Frankenstein oder Der moderne Prometheus” von Mary Shelly und “Der Vampyr” von John Polidori (lange vor dem berühmteren “Dracula” von Bram Stoker) entstanden als Resultat eines kleinen Grusel-Story-Schreibwettbewerbs der Gruppe.

All dies und noch vieles mehr beschreibt Timo Feldhaus in seinem Buch sehr anschaulich Anhand von kleinen Episoden, welche mitunter in etwa parallel an wechselnden Schauplätzen stattfanden. Diese Form des Erzählens von Geschichte erinnert sehr an die Bücher des Kunsthistoriker Florian Illies  (“1916” “Liebe in Zeiten des Hasses” sowie das kürzlich erschienene “Zauber der Stille” über das Werk von Caspar David Friedrich), welchem der Autor im Nachwort auch explizit dankt. Meiner Meinung nach kann es gar nicht genug Bücher geben, in welchen Geschichte so ge- und beschrieben wird.